Der PEA Award:

Promising Elderly Female Artist Award, Austria

von sol haring

 

Warum ein Preis fuer ältere Künstlerinnen?

Kunstförderungen werden oft nur für junge KünstlerInnen ausgeschrieben und auch dort kaum frauenfördernd. Als Künstlerinnenkollektiv LTNC haben wir daher den Elderly Female Artist Award für Künstlerinnen über 50 ins Leben gerufen. Der Award soll als Ehrung an eine der vielen älterwerdenen Kuenstlerinnen gehen, die innerhalb und ausserhalb Österreichs tätig sind. Ein kleiner Anerkennungspreis (Geldpreis von Land/Stadt Graz) soll an eine Künstlerin vergeben werden. Durch die Aktion soll auf das noch immer negative Altersbild in unserer Gesellschaft hingewiesen und es soll vor allem auf die Situation älterer Künstlerinnen in Österreich aufmerksam gemacht werden.

Der PEA-Award soll Frauen die auch nach der ersten Lebenshälfte aktiv kunschaffend wirken Öffentlichkeit geben, damit sie jetzt schon für die nächsten Generationen Vorbilder sein können.

Der PEA AWARD wurde am 13. November 2010 an Bettina Köster, Musikerin, verliehen. Im Rahmen der Grrrls Night Out, einer Frauenmusikveranstaltung des Grrrls Vereins (Karoline Pieringer-Droschl) wurde die Musikerin Bettina Köster eingeladen, mit Ines Perschy am Schlagzeug ein Konzert zu geben. Die Übergabe des Preises erfolgte durch den LTNC (i.V. Sol Haring).

Bettina Köster war eine der wenigen Frauen, die einer öffentlichen Würdigung Ihres Älterwerdens gerne zustimmte. Sie wird fuer den nächsten PEA Award als Jurymitglied zur Verfügung stehen!

Zum Forschungsstand:
In den Alterswissenschaften werden verschiedene Altersbegriffe unterschieden, die in unsere Debatten eingeflossen sind. So gibt es eine grundlegende Unterscheidung zwischen einem negativen, problem- und krankheitsorientiertem Altersbegriff und einem positiven auf Erfolg und Leistung ausgerichteten Altersbegriff. Beide stehen einander konkurrierend gegenüber, obwohl sie womöglich in Verbindung gesetzt werden müssten. Es wird weiters unterschieden zwischen den jungen und den alten Alten, sowie einer Generation der Neuen Alten, die sich durch Jugendlichkeit und Energie von der Gruppe der Hochaltrigen und Hundertjährigen abgrenzen. Dazu kommt noch ein chronologischer Alternsbegriff (der über die gerade genannten gelegt wird), hier zählen die Jahre von 55 bis 75 dazu, in denen frau „älter“ ist, später ist sie „alt“. Demgegenüber steht der individuelle Alternsbegriff „Man ist so alt wie man sich fühlt“ (vgl. Haring 2007). Und wer sich alt fühlt, meint damit krank und kraftlos.
Die Definitionen hinsichtlich des Alters widersprechen einander und sind daher nicht haltbar. Es liegt darin ein öffentlicher Alternsdiskurs, der vor allem auch mit dem sogenannten Jugendwahn korreliert. Jung sein, ist gesellschaftlich besser bewertet als alt sein, trotz Kraft und Energie. Die Altersweisheit kann nur als ein weiteres Konstrukt entlarvt werden – sie trifft uns nicht ohne unser Zutun.
Es gibt Das Altern nicht. Die Diversität der Gruppe älterer Menschen ist durch den inneren Altersunterschied, soziale Zugehörigkeit, ethnische Unterschiede, geschlechtspezifische Sozialisation und biographische bzw. lebenskontextuelle Unterschiede sowie individuelle Handlungsmuster definiert.

Vom praktischen Nutzen des PEA AWARDS:
Die Künstlerin Maria Lassnig gewann erst nach ihrer Pensionierung „ihre Freiheit“ (Gagel 2008). Das deckt sich mit dem seit Jahrzehnten bestimmenden Diskurs des Gerontologen Rosenmayr überein – es ist eine späte Freiheit.. Gagel schreibt den Künstlerinnen „So viel Energie“ zu. Das Wort ALT kommt dabei aber kaum vor. Über Niki de Saint Phalle resümiert sie folgendes: „Niki, die ohne Kraftverlust, ohne zu altern, sich Tag für Tag entwickel(t) (…) sich Tag für Tag erneuer(t), (Gagel 2008, S. 230). Und was es in Bezug auf eine Künstlerin bedeutet, „zu altern“ klingt noch im folgenden Satz an: „Niki hat Arthritis und arbeitet unter Schmerzen“ (ebd. S. 228).
Künstlerinnen geben an, durch die Kunst selbst „jünger“ zu werden. Denn Künstlerin zu sein sei kein Beruf, sondern eine „Art der Existenz“. Diese Betrachtung spiegelt sich auch in der Gerontologie wieder. Künstlerisch tätig zu sein bestimmt den Lebenssinn bis ins hohe Alter (vgl. Haring 2007). Damit wären die Künstlerinnen selbst ein exemplarisches Beispiel für ein positives Erleben erweiterter Lebensphasen. Künstlerinnen sind daher als Gesellschaftsteilhabende in der potentiellen Vorreiterinnenrolle, Alterskonstruktionen neu zu besetzen – wenn sie sichtbar gemacht werden.
Dieses Umwerten ist von großer Bedeutung. Es wird nicht nur das öffentliche sondern auch das innere Bild der Frauen verändern, ja selbst ihr eigenes Bild vom Altern wandelt sich. Die Künstlerin Manon sagt: „Unsere Generation erfindet das Leben im Alter gerade neu“ (in Gagel 2008, S. 8). Ein negatives Altersbild wurde bald kritisiert – es führe zu einem social breakdown -; schon in den 1980er Jahren entwickelte Ursula Lehr ihre Sichtweise des positiven Alters als Reaktion auf das vorherrschende negative Altersbild entwickelte (Amrhein und Backes 2007, S. 104).
“Die behauptete Dominanz negativer Altersbilder wurde als Ursache für eine alltägliche Stigmatisierung älterer Menschen angesehen (…) Im Sinne einer sich selbsterfüllenden Prophezeiung sollten diese negativen Einstellungen zum Alter zum Verlust des Vertrauens älterer Menschen in die eigenen Fähigkeiten und in der Folge zu sozialen Hilflosigkeits- und Rückzugserscheinungen führen” (Amrhein und Backes 2007, S. 105).
Heute spricht man von Ageism auf der einen Seite – vom Diskriminieren auf Grund des Alters (mit den gleichen Folgen wie der Diskriminierung auf Grund von Geschlecht oder Herkunft….). Auf der anderen Seite wird das positive Altersbild auch schon länger kritisiert, es würde tatsächliche Probleme des Alterns nicht wahrnehmen (eingeschränkte Mobilität, Isolation, Depressionen etc.). Diese Einschränkungen haben sich vor allem in die Hochaltrigkeitsphase verschoben (ab 75 bzw. 80 Jahren). Die Hochaltrigkeitsphase bekommt jetzt gerade neues Gewicht in der Forschung.
Ältere Künstlerinnen bilden nicht in ihren Eigenschaften eine eigene Gruppe der Älteren – sie bilden eine Gruppe durch Ausschlussmechanismen: Durch das Nicht Sichtbar Sein, durch die Diskriminierung von älteren Frauen insgesamt und von älteren Kunstschaffenden (für die Steiermark: Scherke 1994). Dieser fatalen Schnittmenge an Eigenschaften muss entgegengearbeitet werden und gleichzeitig muss an einer Sichtbarmachung gearbeitet werden. Ältere Künstlerinnen sollen in ihren unterschiedlichen Lebenskontexten, mit ihren verschiedenen Arbeitsweisen und Werken wahrgenommen werden – ihre Selbstrepräsentation müssen in der Öffentlichkeit Wahrnehmung finden und von politischer Seite sensibel gefördert werden. Dann können auch aus den ganz jung gebliebenen älteren Künstlerinnen „promising elderlies“ werden.

Zusammenfassung:
Was durch die Arbeit am Projekt auffiel ist, das Alter anhaltend negativ konnotiert ist. In der Öffentlichkeit aber auch unter den Kunstschaffenden ist Altern mit Leistungsabbau und Einschränkungen gekoppelt. Positive Energien werden selten kolportiert.
LTNC sehen es nunmehr als politische Notwendigkeit an, mit dem PEA Award auf gerade diese Seite in Bezug auf Altern und Künstlerinnen hinzuweisen und das gesellschaftliche Bild des Älterwerdens abzuändern und umzuwerten. Dem Arbeitsprozess muss ein workshop mit internationalen Expertinnen zum Thema vorangestellt werden, um eine Sensiblisierung zu erwirken.

Verwendete Lit:
Almhofer, Edith/Lang, Gabriele/Schmied, Gabriele/Tucek, Gabriele (2000): Die Hälfte des Himmels. Chancen und Bedürfnisse kunstschaffender Frauen in Österreich. Wien.
Amrhein, Ludwig/ Backes, Gertrud, M. (2007) Alter(n)sbilder und Diskurse des Alter(n)s. Anmerkungen zum Stand der Forschung. Zeitschrift Gerontologie und Geriatrie 40:104–11
Gagel, Hanna (2008): So viel Energie – Künstlerinnen in der dritten Lebensphase, 2.Aufl., Berlin: Aviva.
Haring, Solveig (2007) Altern ist (k)eine Kunst. Biographische Bildungsprozesse älterwerdender Künstlerinnen. Saarbrücken: VDM
Haring, Solveig (2009) Crazy Old Women? Digitale Selbstrepräsentationen von Frauen über 50. In: Blättel-Mink, Birgit/Kramer, Caroline et al (Hg.) Frauen ab 50 im Spannungsverhältnis individueller Bedürfnisse und gesellschaftlicher Rahmenbedingungen. Nomos Verlag.
Rosenmayr, Leopold (1989) Die späte Freiheit. Das Alter, ein Stück bewußt gelebten Lebens. Berlin: Siedler Verlag.

Scherke Katharina. 1994. “Es is eigentlich a ganz normale Arbeit” – Die Lebens- und Arbeitssituation von bildenden Künstlerinnen in der Steiermark bzw. in Graz, Arbeitspapier 9,
Wissenschaftsladen Graz (Hg.), Graz 1994
„Age shall not wither her“ http://www.guardian.co.uk/lifeandstyle/2008/jun/18/women.healthandwellbeing